Nachhaltigkeit und Lederproduktion
Nachhaltigkeit ist ein großes Wort. In vielen Bereichen wird es heute fast inflationär verwendet. Oft als bloßes Schlagwort, das Produkte vermeintlich besser erscheinen lassen soll. Bei Ludwig Reiter ist das anders. Für uns ist Nachhaltigkeit kein kurzfristiger Trend, sondern seit Generationen ein Grundprinzip unseres Handelns. Es zeigt sich in unserer Haltung: in Respekt gegenüber natürlichen Ressourcen, in sorgfältiger Handwerkskunst und in einem klaren Bekenntnis zur Langlebigkeit. Denn wahre Nachhaltigkeit beginnt nicht beim Marketing, sondern bei der Überzeugung, dass Qualität immer auch Verantwortung bedeutet.

Wie wird Leder hergestellt?
Wenn Sie ein Paar hochwertiger Lederschuhe in den Händen halten, spüren Sie sofort: Dieses Material ist etwas Besonderes. Es fühlt sich geschmeidig an, duftet unverwechselbar und verspricht eine außergewöhnliche Langlebigkeit. Doch bis aus einer rohen Tierhaut ein solches Leder entsteht, ist es ein weiter Weg - ein Handwerk, das Erfahrung, Fingerspitzengefühl und viel Geduld erfordert. Leder ist kein industriell synthetisiertes Produkt, sondern ein durch und durch natürlicher Werkstoff. Und seine Herstellung ist ein ebenso traditionsreiches wie anspruchsvolles Verfahren.
Die Grundlage bildet in den meisten Fällen Rinderhaut, ein Nebenprodukt der Fleisch- und Milchwirtschaft. Kein Tier wird dafür eigens geschlachtet. Stattdessen wird die Haut, die sonst ungenutzt bliebe, in einem mehrstufigen Prozess zu einem haltbaren, flexiblen und vielseitig einsetzbaren Material veredelt. Die wichtigsten Etappen sind: die Konservierung und Reinigung der Rohhaut, die eigentliche Gerbung und schließlich die sogenannte Zurichtung, also die abschließende Veredelung.
Vorbereitung der Rohhaut
Sobald die Haut vom Tier abgezogen ist, beginnt der Wettlauf gegen die Zeit. Frische Tierhaut beginnt sehr schnell zu verderben. Deshalb wird sie unmittelbar nach dem Abziehen konserviert, meist durch sorgfältiges Salzen oder durch Kühlen. Das Ziel ist es, den natürlichen Verfallprozess zu stoppen, bevor er beginnt. In diesem Zustand, noch weit entfernt vom fertigen Leder, erreicht die Haut schließlich die Gerberei - den Ort, an dem die eigentliche Verwandlung beginnt.
In der Gerberei durchläuft die Haut zunächst die sogenannte Wasserwerkstatt. Dieser Begriff klingt poetisch und beschreibt doch einen sehr praktischen Arbeitsschritt: Die Haut wird über Stunden oder sogar Tage hinweg gewässert, um sie zu reinigen, zu erweichen und von unerwünschten Rückständen zu befreien. Alte Fette, Gewebereste und Bindehaut werden mechanisch entfernt, teils von Hand, teils durch rotierende Schaufelräder oder schneckenartige Maschinen. Danach folgt das Enthaaren: Die Haarfollikel werden aufgelöst oder gelockert, sodass sich die Haare leicht ablösen lassen.
Nun ist die Haut bereit, in mehrere Schichten aufgeteilt zu werden. Je nachdem, welche Lederstärke gewünscht ist, wird sie gespalten: in eine sogenannte Narbenseite (die äußere Schicht mit der ursprünglichen Hautstruktur) und eine Fleischseite (die darunterliegende Schicht). Für feines Oberleder kommt meist nur die oberste Narbenschicht zum Einsatz, da sie die höchste Dichte und die besten Gebrauchseigenschaften besitzt. Nun ist das Material vorbereitet für die entscheidende Phase: die Gerbung.
Gerbmethoden: Pflanzlich, mineralisch oder synthetisch?
Die Gerbung ist das Herzstück der Lederherstellung: der Schritt, in dem die Haut ihre biologische Vergänglichkeit verliert und in ein dauerhaft haltbares, geschmeidiges und widerstandsfähiges Material verwandelt wird. Ohne die Gerbung würde die Haut nach kurzer Zeit verfaulen, schrumpfen oder hart werden. Durch chemische Reaktionen mit bestimmten Gerbstoffen wird die Faserstruktur der Haut so verändert, dass sie stabil, formbeständig und verrottungsresistent bleibt.
Es gibt unterschiedliche Methoden der Gerbung und jede von ihnen hat ihre Eigenheiten.
Pflanzliche Gerbung
Die wohl älteste und natürlichste Form ist die pflanzliche Gerbung. Hier werden Tannine verwendet: Gerbstoffe, die aus der Rinde, den Blättern oder den Früchten bestimmter Pflanzen gewonnen werden. Dieses Verfahren erfordert viel Zeit, oft mehrere Wochen, und ist ein Paradebeispiel für Geduld in der Handwerkskunst. Das Ergebnis ist ein besonders festes, tragfähiges Leder, das mit jeder Nutzung an Charakter gewinnt. Es dunkelt nach, entwickelt eine individuelle Patina und wird von Jahr zu Jahr schöner. Für hochwertige, rahmengenähte Schuhe ist dieses Leder ideal - nicht nur wegen seiner Festigkeit, sondern auch, weil es atmungsaktiv und besonders langlebig ist.
Chromgerbung
Dem gegenüber steht die moderne Chromgerbung, ein Verfahren, das im 19. Jahrhundert entwickelt wurde und heute weltweit am weitesten verbreitet ist. Hierbei kommen anorganische Salze, meist auf Basis von Chrom(III)-sulfat, zum Einsatz. Die Chromgerbung ist deutlich schneller, oft in wenigen Tagen abgeschlossen, und das Ergebnis ist ein sehr gleichmäßiges, weiches Leder, das sich hervorragend färben und weiterverarbeiten lässt. Es ist vielseitig einsetzbar, sowohl für Schuhe als auch für Bekleidung, Möbel oder Automobilausstattung.
Doch dieses Verfahren ist nicht ohne Risiken. Wird es unsachgemäß durchgeführt, kann es zu Umweltbelastungen kommen, etwa durch die Entstehung von Chrom(VI), einem gesundheitsschädlichen Stoff. Deshalb arbeitet Ludwig Reiter nur mit zertifizierten europäischen Gerbereien zusammen, die strengste Umweltauflagen erfüllen und modernste Technik einsetzen: geschlossene Wasserkreisläufe, aufwendige Abwasseraufbereitung und regelmäßige Kontrollen garantieren eine sichere und verantwortungsvolle Produktion.
Synthetische Gerbung
Neben diesen beiden Hauptverfahren gibt es auch die synthetische Gerbung. Dabei werden industriell hergestellte Gerbstoffe wie Glutaraldehyd oder synthetische Harze eingesetzt. Diese Methode kommt vor allem bei technischen Ledern zum Einsatz, etwa in der Automobilindustrie. Für den Schuhbereich und besonders für Ludwig Reiter ist diese Variante jedoch weniger relevant. Nicht zuletzt, weil sie ökologisch hinter den anderen Verfahren zurückbleibt.
Immer häufiger kommen auch Kombinationen verschiedener Gerbarten zum Einsatz: etwa eine Vorgerbung mit Chrom, gefolgt von einer Nachgerbung mit pflanzlichen Stoffen. Diese sogenannten Hybridverfahren ermöglichen besonders differenzierte Materialeigenschaften, etwa eine ideale Kombination aus Weichheit und Festigkeit oder besondere Farbtiefe.
Die Zurichtung: Der letzte Schliff
Nach der Gerbung ist das Leder haltbar, aber noch längst nicht gebrauchsfertig. Es folgt die sogenannte Zurichtung, bei der Optik, Haptik und Funktion des Leders gezielt beeinflusst werden. Je nachdem, wofür das Leder gedacht ist, wird es gefärbt, geglättet, gefettet oder leicht aufgeraut. In manchen Fällen wird es geprägt oder mit einer dünnen Schicht überzogen, um es wasserabweisend oder besonders strapazierfähig zu machen.
Bei Ludwig Reiter legen wir Wert auf möglichst naturbelassene Leder mit geringer Zurichtung. Denn nur so bleibt die Atmungsaktivität erhalten und die natürliche Oberfläche des Leders, mit all ihren feinen Strukturen, Poren und Eigenheiten, kommt voll zur Geltung. Unsere Schuhe leben von genau dieser Authentizität: Sie erzählen nicht nur von traditionellem Handwerk, sondern auch von dem Material, aus dem sie gemacht sind.
Woher stammt unser Leder?
Das Leder, das Ludwig Reiter verarbeitet, stammt fast ausschließlich aus Europa, mit Ausnahme unser Cordovan Leder von Manufaktur Horween in Chicago, USA. Wir verarbeiten ausschließlich Rohhäute, die als Nebenprodukt der Fleisch- und Milchwirtschaft anfallen. Kein Tier wird wegen seines Leders geschlachtet. Das macht Leder nicht nur ethischer, sondern auch effizienter im Sinne der Kreislaufwirtschaft.
Wie nachhaltig ist Leder wirklich?
Leder genießt nicht immer den besten Ruf - und das zu Unrecht. Denn korrekt verarbeitet und verantwortungsvoll eingesetzt ist Leder eines der nachhaltigsten Materialien überhaupt. Es ist langlebig, reparaturfähig und altert würdevoll. Ein gut gepflegter Lederschuh kann Jahrzehnte halten und mit jeder Tragesaison an Charakter gewinnen. Kein anderes Material vereint diese Eigenschaften in vergleichbarer Weise.
Der Schlüssel zur Nachhaltigkeit liegt dabei nicht nur im Material selbst, sondern auch in der Art seiner Verwendung. Bei Ludwig Reiter entstehen Produkte, die für viele Jahre - oft sogar für ein ganzes Leben - gemacht sind. Wir bieten Reparaturservices, ersetzen Sohlen, frischen Leder auf und verlängern damit die Lebensdauer jedes einzelnen Paars. Wer sich für ein hochwertiges Produkt entscheidet und es pflegt, trifft damit eine bewusste Entscheidung gegen die Wegwerfmentalität unserer Zeit.
Ist Kunstleder nachhaltiger?
Auf den ersten Blick wirken Kunstleder oder vegane Materialien oft nachhaltiger, schließlich kommt kein Tier zu Schaden. Doch die Realität ist komplexer. Viele dieser Materialien bestehen aus erdölbasierten Kunststoffen wie PU oder PVC, die weder biologisch abbaubar noch sonderlich langlebig sind. Nach wenigen Jahren werden sie spröde, reißen ein und landen letztlich im Müll.
Auch neue vegane Lederalternativen, etwa aus Pilzen, Ananasfasern oder Kaktus, wirken vielversprechend. Doch in der Regel benötigen sie synthetische Bindemittel oder zusätzliche Kunststoffbeschichtungen, um haltbar zu sein. Das schmälert ihre Ökobilanz deutlich.

Wie erkennt man nachhaltiges Leder?
Für den Laien ist nachhaltiges Leder nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Doch es gibt einige klare Indizien. Es lohnt sich bereits ein Blick auf die Herkunft: Leder aus Europa unterliegt strengen gesetzlichen Vorgaben. Idealerweise wird es auch vollständig hier verarbeitet. Moderne Gerbereien setzen auf geschlossene Wassersysteme und reinigen ihre Abwässer sorgfältig, was sowohl die Umwelt als auch unsere Gesundheit schützt.
Auch die Optik kann Aufschluss geben: Hochwertiges Leder braucht keine dicken Kunststoffschichten, um zu glänzen. Naturbelassene Oberflächen, die atmen und mit der Zeit Patina entwickeln, sprechen für Qualität und Nachhaltigkeit. Und nicht zuletzt ist auch der Preis ein Indikator: Wer faire Löhne, sichere Arbeitsbedingungen und umweltfreundliche Verfahren erwartet, sollte auf allzu billige Angebote lieber verzichten.
Warum „Made in Europe“ nicht immer reicht
Ein Etikett mit „Made in Europe“ klingt vielversprechend, jedoch garantiert es nicht automatisch eine nachhaltige Produktion. Oft wurde das Leder schon in Asien oder Afrika vorgegerbt und nur der letzte Verarbeitungsschritt fand innerhalb der EU statt. Dabei entstehen die größten Umweltbelastungen meist in der Anfangsphase der Lederproduktion. Deshalb achten wir bei Ludwig Reiter darauf, dass unsere Materialien tatsächlich durchgehend in Europa verarbeitet werden - von der Rohhaut bis zum fertigen Produkt.
Langlebigkeit statt kurzlebiger Trends
Das eigentliche Problem ist nicht das Material Leder, sondern die schiere Masse an kurzlebigen Produkten, die jährlich auf den Markt kommen. Fast Fashion produziert Unmengen an Textilmüll - Kleidung, die nach wenigen Einsätzen im Müll oder in Verbrennungsanlagen landet. Dagegen setzen wir auf eine andere Philosophie: auf zeitlose Klassiker, hochwertige Verarbeitung und Produkte, die über Generationen hinweg Freude bereiten.
Unsere Schuhe, Taschen und Accessoires werden in Wien gefertigt sowie in Zusammenarbeit mit unseren langjährigen Partnerbetrieben in Österreichs Nachbarländern.
Dort verbinden wir traditionelle Handwerkskunst mit modernem Verantwortungsbewusstsein und sichern zugleich regionale Arbeitsplätze. Selbst unsere Verpackungen bestehen seit Jahrzehnten aus unkaschiertem Recycling-Papier -stilvoll gestaltet, aber umweltfreundlich gedacht.
Nachhaltigkeit als Haltung
Am Ende ist Nachhaltigkeit keine Technik, keine Zahl und kein Etikett. Es ist eine Haltung, die geprägt ist von Respekt, Umsicht und Verantwortungsbewusstsein. Wer langlebige Produkte fertigt, wirtschaftet nachhaltig. Wer Reparatur anbietet, denkt an morgen. Wer in Europa produziert, übernimmt Verantwortung. Und wer sich für solch ein Produkt entscheidet, trifft eine bewusste Wahl: für Qualität, für Werte und für eine Zukunft, die Bestand hat.



